Podcast

 

 

Zwei Grad, der Regen schraffiert die Landschaft und Gegenwind lässt einen kaum vorankommen. Das ist auch für den zweiradverrücktesten nicht die beste Zeit. Um dann seine Runde trotzdem erhobenen Hauptes, oder meinetwegen mit eingezogenen, frierenden Schultern zu beenden, muss man schon tief in die Motivationskiste greifen. Podcast zu hören ist dabei eine effektive Möglichkeit sich ein wenig abzulenken und, ganz nebenbei, sich Informationen und Inspirationen zu holen. Das Format Podcast eignet sich, aus meiner Sicht, auch durchaus für den ethnologischen Bereich und anstehende Arbeiten können gedanklich vorrecherchiert werden. Sie sind mittlerweile über viele Anbieter erhältlich. Entweder sind sie vollkommen gratis oder kostengünstig und decken eine enorme Themenvielfalt und Tiefe ab. Teilweise werden Vorlesungen zu bestimmten Themen online gestellt oder es stehen anderweitig fachlich versierte Formate zur Verfügung. Für den Bereich Fahrrad findet sich gleich eine ganze Reihe gut recherchierter und kurzweilig aufgebauter Beiträge. Meist gibt es einen konkreten Überbau, der dann in einzelnen Folgen, häufig im Interviewformat, abrufbar ist.

„Antritt“ mit Gerolf Meier und Christian Bollert versucht dabei das Thema Fahrrad breit aufzufächern und bringt Beiträge über urbane Trends, Rennrad, Mountainbike und, was ihn durchaus von anderen Formaten abhebt, auch in jeder Folge eine kurze Geschichte eines Hörers die sich „Ausfahrt des Monats“ nennt. Interessant ist auch, dass immer wieder verkehrspolitische Aspekte aufgenommen werden und daher der aktuelle politische Stand in Bezug aufs Fahrrad komprimiert hörbar wird. Und dies durchaus unterhaltsam. Der für die vorliegende Arbeit fruchtbarste Podcast war jedoch „Die wundersame Fahrradwelt“ von Johanna Jahnke. Sie ist eine überaus versierte Sportlerin die im Ultrarennen, also Langstrecken zwischen ca. 500km bis 4000km, zu Hause ist. Darüber hinaus arbeitet sie als Coach im Mentaltraining, was auch in ihrem Podcast bemerkbar ist. Ihre Folgen sind tatsächlich überaus motivierend und die Tipps und Tricks die sie für ein passendes Mindset im Sport erklärt, sind auch für andere Strukturen, wie z.B. ethnologische Hausarbeiten nützlich. Durch ihre persönliche Verankerung im Radsport hat sie immer wieder hochkarätige Sportler und Abenteurer, häufig aus der Bikepacking und Ultraszene, zu Gast. Bikepacking ist eine Art schnellere und sportlichere Variante des Radreisens in dem nur das nötigste an Gepäck transportiert wird, die Strecken jedoch überaus lang sein können, bis hin zur Durchquerung von Kontinenten. Der Komfort ist dabei ein untergeordneter, gut, ein sehr weit untergeordneter Faktor. So hatte sie bereits Fiona Kolbinger zu Gast, eine Frau die das Zeug zum Rolemodel für Mädchen und Frauen hat, und das 4000km lange Transcontinentalrace gewann. Männer und Frauen werden in diesem Rennen nicht getrennt voneinander gewertet, was, wieder einmal, veranschaulicht, dass Frauensport keineswegs von geringerer Qualität als Herrensport ist. Die niedrigere Bezahlung von Frauen im Sport wird dadurch zumindest eines Arguments beraubt. Zwei weitere Interviewgäste von Johanna Jahnke blieben mir in Erinnerung. Eine davon ist Jenny Tough. Dies ist netterweise ihr Klarname und ebenso Programm. Sie lief und radelte bereits  durch über 70 Länder und die Geschichten dieser Abenteurerin sind überaus inspirierend und motivierend. Ihr Buch „Tough Women Adventure Stories“ liegt bereits lesebereit auf meinem Nachtkästchen.  Auch das Interview mit Jonas Deichmann blieb bei mir haften und aufgrund des Podcast sah ich gleich noch seinen Film „From Cape to Cape“, eine Dokumentation die ihn, und Anfangs noch einen weiteren Fahrer zeigen, wie sie in 72 Tagen vom Nordkap bis zum Kap der guten Hoffnung radelten. Bei diesen unglaublichen 18.000 km hatte der Mann das Mindset, also die mentale Stärke, als ständig grinsendes Glück durch die Landschaft zu fliegen.

Johanna Jahnke lädt jedoch nicht nur herausragende Sportler zu sich, sondern engagiert sich für die Gleichstellung der Frau im Sport allgemein und speziell im Radsport. Initiativen, Start-ups von Frauen und Empowerment sind immer wieder Themen die jedoch ohne den moralischen Zeigefinger oder einer unpassenden Schwere aufgearbeitet werden und einen ersten Einblick in bestimmte Problematiken aufzeigen.So ist beispielsweise Mansplaining  im Radsport ein noch immer nicht überwundenes Konzept. Dabei erklären Männer Frauen, egal welcher Kompetenz, ungefragt die Welt, wodurch sich vor allem Neueinsteigerinnen verunsichert fühlen oder sich ihrer Stärken kaum bewusst werden können. Dies ist einer der vielen Gründe warum Rennen größtenteils von Männern bestritten werden und das Feld der Frauen immer noch licht und überschaubar bleibt. Durch Johanna Jahnkes Arbeit in dem Podcast, in dem sie  Frauen im Radsport eine Plattform bietet, bringt sie das Thema, zumindest in der Szene selber, aufs Tapèt. Aber damit nicht genug, werden von ihr immer wieder auch Innovationen bearbeitet und  Besonderheiten dargelegt. Ob es der Rahmenbauer oder die  Gründerin ist, technische Innovationen werden in ihren Folgen häufig aufbereitet. Auch neue Ausrüstungsgegenstände und Materialien werden von ihr recherchiert und im Interview mit Ingieneuren und Technikern verfolgbar. So erfuhr ich über sie, dass im Gegensatz zum Autoreifen, in den Fahrradreifen noch ein hoher Anteil an Kautschuk verarbeitet wird, da die Fahreigenschaften entsprechend gut und für das Fahrrad kaum ersetzbar sind. Um die Ausbeutung oder Abholzung der Regenwälder zukünftig einzudämmen wird mit der Milch des Löwenzahns geforscht und versucht diese für die Reifenherstellung zu nutzen. Die Vielfalt des Themas Fahrrad ist enorm hoch und kann natürlich nicht gänzlich  von einem Podcast  abgedeckt werden. Ihr gelingt es jedoch einen guten  Überblick über die Thematik zu etablieren. Wer immer sich fürs Fahrradfahren und speziell fürs Gravelbike interessiert, ist bei „Der wundersamen Fahrradwelt“ sehr gut unterhalten und erhält nebenbei einen ganzen Strauß an Basis- und Hintergrundinformationen.

Natürlich gibt es noch viele andere gute Podcasts, die, auch politisch oder ethnologisch durchaus als erste Inspirationen oder unterhaltsame Quellensuche genutzt werden können, werden doch häufig auch Studien und konkrete Projekte oder Bücher vorgestellt. In der Vergangenheit war „Der KARL Podcast“ immer wieder angenehm zu hören, stellte  allerdings einige Zeit keine neuen Folgen ein, ist jedoch anscheinend seit neuestem wieder dabei. Sein Bereich liegt eher in der Verkehrspolitik, was  keineswegs langweilig, sondern differenziert aufgearbeitet wird. Neuerungen und Regelungen präsentiert er geballt und erleichtert eine tiefergehende Recherche. Auch „Fahrrad, immer ein Teil der Lösung“ ist noch hörenswert, ebenso wie „Biketourglobal“, wobei hier eher Radreisen weltweit behandelt werden. Leidet man bereits an Fernweh sind diese Folgen sicher keine gute Kur. Das Leiden kann dadurch schnell zur Qual werden. Ein Podcast auf hohem Niveau ist noch „Radfunk-Deutschlandfunk“ der überwiegend die politische und gesellschaftliche Perspektive darstellt. Eine alphabetische Liste der besprochenen Podcasts findet sich im Anhang. Die grössten Anbieter in Deutschland für Podcasts sind Spotify und Apple Podcasts, es finden sich jedoch mit Sicherheit auch noch kleinere, unbekanntere Anbieter, sollte man den großen Playern misstrauen.

 

 

 Podcasts:

 

Antritt                                                     

BiketourGlobal                               

Der KARL Podcast                  

Die wundersame Fahrradwelt                                      

Fahrrad, immer ein Teil der Lösung                                     

Radfunk-Deutschlandfunk