Ausblick/Rückblick

 

 

Zu Beginn der Forschung war ich überzeugt mit qualitativen Forschungsmethoden nichts aufzeigen  und keine fassbaren Ergebnisse liefern zu können. Aber allein wie mich mein Forschungsthema umkreist, weniger wie ich es umkreise ist faszinierend. Die qualitative Forschung hat sich für mich als sinnvoller als gedacht herausgestellt. Mit der Zeit bildete sich ein Netz aus Informationen, wobei es überaus hilfreich war in der Nähe der Werkstatt, als auch des Ankerzentrums zu wohnen. Dadurch war eine zeitliche und räumliche Nähe gegeben, die mir teilweise, ohne es zu forcieren, Informationen lieferte. Erst heute hielt ich verblüfft einen Informationsfaden in der Hand, der mir aus einer Richtung zugeworfen wurde, die erst einmal rein gar nichts mit meiner Forschung zu tun hatte. Vor einigen Wochen, zu Beginn des Ramadans erzählte mir ein Kunde, der mit seiner Familie im Ankerzentrum in B. lebt, von den Problemen nach Sonnenuntergang Essen zu beschaffen. Die Hauptmahlzeit wird mittags ausgeteilt, abends gibt es nur eine Kleinigkeit und die Leute dürfen auf ihren Zimmern nur eine Brotzeit verzehren. Anstatt mit der Familie abends gemeinsam eine große Mahlzeit zu sich zu nehmen, verbringen die Menschen hungrig und gelangweilt die Zeit in ihren Zimmern. Die Stimmung ist entsprechend schlecht.

Vorhin saß ich im letzten Sonnenschein  vor meiner Haustür und unterhielt mich mit meinem  Nachbarn. Vor einigen Jahren arbeitete er im Ankerzentrum und berichtete mir von unsagbaren Zuständen die unter anderem auch das ungeniessbare Essen betrafen.  Wir unterhielten uns eine Weile, dann ging jeder seinen Beschäftigungen nach. Durch ihn wurden mir Informationen, die ich primär in der Forschungszeit verortet hatte, aus einer Richtung bestätigt, die ich so nicht erwartet hatte.  Aber nicht nur, dass die Forschung im Laufe der Zeit in mein Privatleben mithineinspielte, auch meine zu Beginn der Forschung bereits konkreten Ideen erwiesen sich fast durchwegs als  zeitlich und fachlich nicht realisierbar. Weder war es mir möglich Fahrradlernkurse oder Reparaturkurse für Frauen anzubieten noch diese zu besuchen. Beides sah ich im Anfangsstadium der Arbeit als überaus relevant an, erwies sich im Nachhinein jedoch keineswegs als wichtig, da sich das ganze Thema in eine ungeahnte Richtung drehte. Einerseits war Corona durchaus reglementierend, auf der anderen Seite wäre mir dies auch zeitlich nicht möglich gewesen. Schon kurz nach Beginn der Forschung war klar, dass ich mit den Informationen die mir in der Olchinger Fahrradwerkstatt zugetragen werden, durchaus ausgelastet bin. Zweimal die Woche besuchte ich für etwa zwei bis drei Stunden die Werkstatt. Montags meist im Verkauf und Mittwochs, wenn der Verkauf geschlossen hat, stand ich in der Werkstatt. Die Menge an Informationen auszuwerten und durchzudenken ist noch keineswegs abgeschlossen. Dennoch bildete sich bereits ein roter Faden heraus, den ich weder beabsichtigt noch erwartet habe und der, abgesehen davon, dass ich die Möglichkeiten die mir gegeben wurden, als durchweg wertvoll erachte, in eine völlig andere Richtung wie anfangs geplant verliefen. Der Blick fokussierte sich mehr und mehr auf das Handwerk und das Fahrrad an sich. Ebenso rückte die ehrenamtliche Tätigkeit generell und die Wichtigkeit für die Gesellschaft in den Fokus. Meine Aufmerksamkeit verschob sich anfangs unbemerkt. Zu dem Zeitpunkt an dem ich die Verschiebung bemerkte, war ich bereits abgerutscht und hing am Schraubenschlüssel. Wie gesagt, empfinde ich die Richtung die die Forschung von sich aus genommen hat, ohne etwas forciert zu haben, als  durchgehend fruchtbar. Mittlerweile steht die Forschung kurz vor dem Abschluss und mir ist bereits klar, dass ich in etwa auf diesem Weg weiter arbeiten möchte und auch meine Bachelorarbeit sich um das Fahrrad  im weitesten Sinne drehen wird. Dennoch fällt es mir momentan  schwer mich  thematisch genau festzulegen. Noch  ist mein Thema sehr weit und es entstanden einige Aspekte die ich relevant und spannend finde. Die Werkstattarbeit an sich ist nur eines davon und möglicherweise durchaus für eine größere Arbeit geeignet. Aber auch das Ehrenamt im Fahrradbereich, der sportliche Aspekt, überhaupt für Frauen und im Ultrabereich, aber auch die verkehrspolitische Fahrradsituation kann ich mir als durchaus spannendes Arbeitsfeld vorstellen.  Noch ist nichts entschieden und der Ausblick bleibt noch offen.